Fazit Argentinien
Das zweitgrösste Land Südamerikas ist ein fantastisches Reiseland. Wie schon bei ersten Mal vor acht Jahren hat uns Argentinien auch beim zweiten Mal begeistert. Vom Norden bis zum Süden bietet das Land eine Fülle an Sehenswürdigkeiten und traumhaft schönen Landschaften. Camping ist in Argentinien grossgeschrieben, und entsprechend ist die Infrastruktur in Gegensatz zu den meisten anderen Ländern in Südamerika relativ gut. Kurzum: Argentinien hat uns auch auf den zweiten Blick nicht enttäuscht und wir lieben es!
Sicherheit
Wir haben uns in Argentinien stets sicher gefühlt. In ländlichen Gebieten, insbesondere Patagonien, haben wir problemlos zum Teil auch wild gecampt. Die Kriminalität soll aber aufgrund des erneuten Staatsbankrotts und der Hyperinflation wieder gestiegen sein. Wie immer ist diese vor allem auf Städte und ihre Ballungsgebiete konzentriert. Wir haben aber auch von Diebstählen und Autoeinbrüchen auf Municipal Campings oder auch bei Tankstellen gehört. Insbesondere Salta und Bariloche sind dafür Hotspots, und man sollte sein Auto an solchen Orten nie unbeaufsichtigt zurücklassen.
Leute
Über 90% der Bevölkerung stammt von europäischen Vorfahren ab. Der hohe Anteil an italienischem Einfluss ist dabei unübersehbar und schlägt sich auch in der gesamten Kultur nieder.
Ja, die Argentinier.. man liebt oder hasst sie! Es ist ein bisschen wie mit den Italienern: im Grossen und Ganzen sind sie extrem liebenswert und sympathisch, aber zwischendurch nerven sie gewaltig. Wir haben die Argentinier als extrem offene, reiselustige und gastfreundliche Menschen erlebt. Sie sind aber auch laut und rücksichtslos. Komfortzone ist kein Thema. Auch wenn man um 23 Uhr nachts immer noch alleine auf dem Campground ist, ist das noch lange keine Garantie auf eine ruhige Nacht. Sie fahren kurz vor Mitternacht ein und stellen sich garantiert auf dem sonst gähnend leeren Platz direkt neben einem. Und dann wird erst mal gegrillt und bei ohrenbetäubender Musik (oder besser mehrere durcheinander) gefeiert. Das ist das ultimative Camping Erlebnis für die Argentinier, nicht etwa die Ruhe der Natur geniessen wie wir das schätzen. An Wochenenden und in der Hochsaison bleibt einem dann nur eines: Municipal Campings meiden und sich irgendwo wild hinstellen (aber auch da ist man nicht immer sicher vor Lärm) oder in ein besseres Hotel oder Cabaña einchecken. Lustigerweise sind die Argentinier dann bei anderen Dingen wiederum ganz zivilisiert. Wenn’s zum Beispiel ums Anstehen geht, benehmen sich die Argentinier total gesittet und stehen den Engländern in nichts nach.
Die nationale Psyche des Landes ist kompliziert und durch eine lange Geschichte und Militärjuntas geprägt. Die sich wiederholenden Staatsbankrotte und unfähige Regierungen helfen bestimmt nicht, die Motivation der Bevölkerung zu heben. Im Durchschnitt haben wir aber die Argentinier nicht als das arbeitsamste Volk erlebt. Ladenöffnungszeiten und Arbeitsstunden pro Woche lösen doch eher ein Kopfschütteln aus. Die schöne Präsidentin mit den dicken Lippen hatte kürzlich eine tolle Idee und hat ganze viele neue Feiertage eingeführt. Um die Tourismusindustrie anzuheizen.. so hat fast jeder Monat mindestens ein langes Wochenende. Da die Argentinier ein sehr reisefreudiges Völkchen sind, führt das natürlich dazu, dass an besagten Wochenenden die Tourismus Hotspots jeweils hoffnungslos ausgebucht sind. Gut für den Tourismus, jedoch für die Unternehmen ein Albtraum und fast nicht finanzierbar.
Nichtsdestotrotz und alles in allem mögen wir die Argentinier sehr und wir fühlten uns im Land extrem wohl und willkommen.
Landschaft/Sehenswürdigkeiten
Argentinien war wiederum als Ganzes ein Highlight für uns, wie auch schon anlässlich der letzten Reise. Das Land bietet vom Norden bis in den Süden fast durchgehend eine Sehenswürdigkeit nach der anderen. Unglaublich schöne Landschaften, von Salzwüsten im Norden bis zu monumentalen Gebirgszügen im Süden, interessante Kolonialstädte, gutes Essen, es ist einfach alles dabei, was ein Reiseherz begehrt.
Nachdem wir den Norden des Landes auf unserer letzten Reise erkundet haben, haben wir uns dieses Mal auf die Mitte und den Süden konzentriert. Absolute Höhepunkte dabei waren für uns Mendoza mit seinen tollen Weinen, die Seenregion nördlich von Bariloche, der (noch) unbekannte und wenig besuchte Nationalpark Perito Moreno, der Berg Fitz Roy und natürlich die Hauptstadt Buenos Aires.
Der landschaftliche Tiefflieger waren dann die Ostküste sowie die Orte und Strände nördlich der Peninsula Valdez bzw. südlichöstlich von Buenos Aires. Die Fahrt von Ushuaia nach Buenos Aires war wohl eine der langweiligsten und ödesten Strecken, denn man fährt zähe 3‘000km mehrheitlich durch windige Pampa. Die Badeorte zwischen Peninsula Valdez und Buenos Aires empfanden wir als Ärgernis und extrem schmutzig und haben darum dann die Küste relativ schnell wieder verlassen.
Essen/Trinken
Argentinien ist kulinarisch ein Highlight und Garant für ein paar Kilos mehr auf den Rippen. Insbesondere Fleischliebhaber kommen auf ihre Kosten. Vegetarier eher weniger. Wenn die Argentinier etwas beherrschen, dann ist es die Kunst des Grillens. Die Parillada oder - wenn privat zelebriert - der Asado, wird hier ad extenso gelebt. Fast alles, was einmal gelebt hat, wird auf den Grill geworfen und köstlich zubereitet. Wir haben uns einmal, weil es immer so toll aussah, zu einer Parilla para dos, hinreissen lassen. Da kommen lauter interessante Sachen brutzelnd auf den Tisch. Allerdings ist das wirklich nur etwas für Hartgesottene, denn es handelt sich mehr um eine Schlachtplatte als um Steaks. Von Stierhoden über Magen bis zu Herz ist dann alles dabei. Wir blieben somit lieber beim Steak. Da die Argentinier stark von ihren italienischen Wurzeln geprägt sind, ist auch Pasta überall und im Überfluss vorhanden. Die Zubereitung gelingt leider nicht immer ganz so perfekt wie beim Fleisch, bietet aber sicher eine gute Alternative zu Fleisch.
In den grösseren Städten ist die Auswahl an guten Restaurants riesig. Gourmet Höhepunkte erlebten wir in Mendoza, Bariloche, El Calafate und natürlich Buenos Aires. In Buenos Aires sollte man unbedingt auch eines der „Puerta Cerrada“ Restaurants ausprobieren. Es handelt sich dabei um illegale Restaurants in privaten Häusern. Man wird von 5 Sterne Chefs für einen unschlagbaren Preis bekocht und der Gaumengenuss ist garantiert. Wir haben das Ocho Once im Stadtteil Palermo besucht und wurden nicht enttäuscht.
Argentinien ist nicht nur der Fleisch- sondern auch der Weinhimmel! Die Kombination von beidem ist natürlich der Hit. Die Weine sind von Topqualität und zu absoluten Discountpreisen zu haben. Im Supermarkt wird man kaum mehr als umgerechnet CHF 8.—für eine sehr gute Flasche Malbec (Reserva) ausgeben. Der Malbec ist nach wie vor der Spitzenexportschlager, denn über 70% der Malbec Produktion stammt aus Argentinien. Das Zentrum des Weinanbaus ist natürlich Mendoza. Wir haben ein paar Weingüter besucht und ausgiebig degustiert. Besuche auf den Weingütern in Mendoza müssen in der Regel vorreserviert werden, ansonsten wird kein Eintritt gewährt. Eine Weintour durch verschiedene Güter lohnt sich für Weinliebhaber auf alle Fälle. Es gibt noch andere, kleinere Weinanbaugebiete in Argentinien, wie zum Beispiel Cafayate, wo qualitativ hochwertiger Wein in kleineren Mengen produziert wird.
Mate Tee ist in Argentinien wohl das Nationalgetränk. Diese Teekultur wird hier extensiv betrieben und wird in gewissen Teilen aus unserer Sicht zu Obsession. Selbst zum Einkaufen im Supermarkt geht man nicht ohne seinen Mate. Aber auch Kaffee wird in Argentinien wieder zum Genuss. Nachdem in Chile fast nur Instant Kaffee serviert wird, erhält man hier endlich wieder einen richtigen Espresso. Ganz italienisch und wie er sein muss.
Auch in Argentinien haben wir sehr viel gecampt. Supermärkte sind zahlreich vorhanden, die Anonyma Kette ist am meisten verbreitet und bietet ein gutes Sortiment. Wie immer geht es ins Geld, wenn man europäische Produkte kauft.
Autofahren
Die einzige Gelegenheit, wo es die Argentinier eilig haben, ist hinter dem Steuer. Jeder ein kleiner Rennfahrer und ganz Macho, geht es auf den Strassen deutlich ruppiger zu und her als im Nachbarsland Chile. Verständnis für ausländische, langsamer fahrende Fahrzeuge ist nicht vorhanden. Verkehrsregeln sind überbewertet und Fussgänger haben schon gar keine Rechte. Beim Überqueren einer Strasse muss man echt aufpassen, ein Argentinier bremst nicht für Fussgänger, auch nicht für alte gehbehinderte Menschen. Hat man die Strassen von Kolumbien einmal überlebt, kann einem Argentinien zwar nicht mehr schockieren, aber ungefährlich ist es nicht. Und ärgern tut man sich häufig, wenn man auf den Strassen unterwegs ist. Die Strassen in Argentinien sind, mit Abstrichen im Süden, in einem guten Zustand und meistens gebührenfrei. Rund um Buenos Aires gibt es Mautstationen. Die Ruta 40 ist teilweise noch nicht asphaltiert, aber mehrheitlich guter Schotter. Nebenstrassen in Patagonien sind sehr selten asphaltiert.
In Argentinien haben wir dann auch das erste und einzige Mal Bekanntschaft mit einem korrupten Polizisten gemacht. Die Provinz Entre Rios ist dafür bekannt. Uns hat‘s allerdings südlicher in der Gegend von Azul, Provinz Buenos Aires, erwischt. Dazu muss man allerdings erwähnen, dass wir nicht grundlos raus gewunken wurden. Eine doppelt ausgezogene Linie sollte man auch in Argentinien nicht überfahren. Wie die Sache dann abgehandelt wurde, war allerdings sehr speziell. Aber auch hier zeigte sich, Geduld und kein Spanisch sprechen bringt Rosen, und wir bezahlten schlussendlich gar nichts.
Preisniveau
Das Preisniveau ist in Argentinien aufgrund der Hyperinflation hoch, wenn man Geld zum offiziellen Kurs wechselt. Dolar Blue heisst hier die Devise. Man sollte so viele Dollars wie möglich bringen und diese auf dem Schwarzmarkt (der von der Regierung geduldet wird) tauschen. Man spart so bis zu 50%. Zu unserer Reisezeit konnten wir Dollars zum Verhältnis 1:12,5 anstatt 1:8,5 tauschen. Das macht das Reisen in Argentinien sehr günstig. Hotels und Restaurants sind nicht billig, für längere Aufenthalte in Städten bietet sich Airbnb an. Das Angebot ist riesig und so kann man für extrem wenig Geld unterkommen. Für Buenos Aires bezahlten wir zum Beispiel für unsere 2 Zimmer Wohnung mit Dachterrasse mitten im Trendviertel Palermo Soho umgerechnet CHF 36 pro Tag inkl. allen Steuern und Gebühren.
Erwähnenswert hier ist noch, dass Argentinien als Massnahme gegen die Hyperinflation hohe Importrestriktionen eingeführt hat. Das führt dazu, dass Argentinien fast DDR ähnliche Zustände erlebt. Internationale Marken und Artikel sind kaum zu bekommen und falls doch, sind sie extrem teuer. Sogar das Ketchup, welches McDonalds Argentinien aus Chile einführt, ging einmal aus. Lässt man sich Ersatzteile fürs Auto nach Argentinien schicken, wird ein Importzoll von nahezu 100% auf dem Neupreis erhoben. Dazu kommt, dass das Teil wochenlang im Zoll hängenbleibt. Ersatzteile im Land selbst zu kriegen ist eher unwahrscheinlich. Es ist also keine gute Idee, in Argentinien eine Panne zu haben. Zudem sollte man, je nach Automarke, Ersatz- und Verschleissteile möglichst mitnehmen.
Tanken ist nicht günstig und kostete während unserer Reisezeit in Argentinien ca. 11.6 Pesos pro Liter Diesel, dies entspricht in etwa 1,40 CHF pro Liter. Der Diesel in Patagonien ist staatlich subventioniert und daher viel billiger. Es gibt verschiedene Dieselqualitäten und wir haben sogar einmal den Shell V-Power Diesel bekommen.
Umweltschutz/Müll
Leider setzen heutzutage immer mehr Bauern in Argentinien auf Soja anstatt auf Rinder. Dafür werden wie in Brasilien riesige Waldflächen gerodet und genverändertes Saatgut und Chemikalien verwendet. Die Folge davon sind Krankheiten und Todesfälle. Zwei Drittel des Landes leiden unter Wasserknappheit. Dazu kommt die Wasserverschmutzung und Verunreinigung des Grundwassers. Diese wird in erster Linie durch Industrie und Landwirtschaft verursacht, welche nach wie vor Giftstoffe in Gewässer ableiten. Da es viel zu wenige Kläranlagen gibt kann das Wasser nicht entsprechend aufbereitet werden. Buenos Aires gehört zu den lautesten Städten der Welt. Die Lärmemissionen sind enorm und viele Leute haben mit den gesundheitlichen Folgen davon zu kämpfen.
Leider ist der Argentinier wie fast in allen anderen Ländern Lateinamerikas auch völlig gleichgültig und ignorant was Müll betrifft. Er wird gerade dort, wo man sich befindet, entsorgt. Egal ob in der Natur oder in der Stadt.