Italien: ein Wechselbad der Gefühle
Ganz kurzfristig und aufgrund beruflicher Veränderungen entschlossen wir uns dieses Jahr für 3 Wochen Ferien im Mai/Juni. Da wir für einmal keine Fähre nehmen wollten, aber trotzdem nach Sonne und Wärme lechzten und schon immer mal Italien etwas intensiver bereisen wollten, war die Destination schnell bestimmt. Italien, Nachbarsland und auch etwas zweite Heimat, wieso also in die Ferne schweifen. Aber ein bisschen exotisch durfte es sein, Süditalien war also unser Ziel.
So nahmen wir die drei Fahrtage von Zürich nach Praia a Mare in Kalabrien, mit zwei Zwischenstopps im Tessin und nahe bei Rom, anfangs Ende Mai unter die Räder. Am Meer angekommen merkten wir bald: in Kalabrien herrschten zwar bereits sommerliche Temperaturen und wunderbares (Bade-)Wetter, aber bei den Italienern beginnt der Sommer – komme was wolle - bekanntlich erst um Ferragosto im August (und endet auch dann wieder). Alles noch geschlossen, vom Winter verwildert und dementsprechend wenig einladend. Corona hat hier vermutlich auch seine Spuren hinterlassen. Man fragt sich ernsthaft, wie sie von einem Monat Tourismus leben können. Das trostlose Bild gab uns die Antwort von selbst. Ein Teufelskreis… wenn alles zu ist, kommen keine Touristen, wenn keine Touristen kommen, muss man nicht offen haben. Vielleicht sollte man es aber trotzdem mal probieren. Macht halt Arbeit, aber vielleicht lohnt es sich ja.
Dennoch fanden wir ein nettes Plätzchen bei einem Bagno Betreiber am Meer, der es eben probieren will und die Arbeit nicht scheut. Hinter dem Bagno hat er eine riesige Wiese mit Toilettenhäusschen für Camper und andere Ferienkünstler. Im August will man hier bestimmt nicht sein, im Mai war es allerdings herrlich und wir durften den Platz fast für uns geniessen. Ein bisschen ankommen und ausspannen war angesagt, was jedoch dann nach 2 Tagen rumlümmeln und selber kochen (die Restaurants waren ja alle zu) auch genug war. Es zog uns in die Berge.
Der Monte Pollino ist der grösste Nationalpark Italiens und umfasst die südlichsten Ausläufer des Apennins. Der naturbelassene Park bietet alles in Bezug auf Flora und Fauna und lässt Wanderherzen höherschlagen. Selbst der Apenninwolf soll hier zu Hause sein. Nun denn… auf unseren Wanderungen sahen wir nur Pferde und Kühe, welche hier oben halbwild den Sommer verbringen und das reichliche Gras auf den Hochebenen futtern. Wir wurden abends im nahegelegenen Agriturismo Donna Bianca auf einer Olivenölplantage mit typischen rustikalen und mehrgängigen Nachtessen belohnt. Die Kalorienbilanz ging trotz anstrengender Wanderungen leider nicht ganz auf. Nach wie vor waren wir mehr oder weniger allein unterwegs und auch im Agriturismo war nicht allzu viel Betrieb (zum Glück, mit nur einer Dusche, inkl. Toilette!). Genau nach unserem Geschmack.
Wir gondelten über kurvige Landstrassen vorbei an auf Hügel geklebte Dörfer, durch Geisterdörfer (Roscigno Vecchio) und brasilianische Partnerstädte (Maratea) zurück ans Meer und landeten in Sorrento. Von hier kann man ganz viele touristische Highlights von Italien erkunden: die Amalfi Küste, Capri, Neapel und die archäologischen Stätten von Pompeij. Das ist selbstverständlich kein Geheimtipp... in Sorrento empfing uns der touristische Wahnsinn. Corona war vorbei und die Welt war offensichtlich wieder unterwegs. Sei’s mit diesen schrecklichen schwimmenden Städten, mit Flugzeug, Mietauto, Busreise, eigenem Camper… alles traf sich hier. Mit Müh und Not konnten wir im Camping von Sorrento noch ein Plätzchen ergattern. Eingepfercht zwischen Womo-Weltentdeckern und mit merklich steigenden Temperaturen und völlig hirnrissigen Preisen verging uns jedoch ganz schnell die Lust auf Mikroabenteuer. So entschieden wir uns kurzerhand, nur Neapel einen Besuch abzustatten (man kann von Sorrento mit dem Schiff nach Neapel übersetzen, der Preis ist fast so hoch wie für eine Woche Pauschalurlaub in Malle). Alles andere liessen wir sein. Schweren Herzens gab Simone auch die Idee, allein durch die Ruinen von Pompeji zu schlendern (schliesslich war das im Vorjahr in Olympia möglich), auf. Ein anderes Mal, vielleicht aber auch nie!
Mit der besten Pizza der Welt im Verdauungssystem flohen wir zurück in die Berge. Die Abruzzen und angenehmere Temperaturen lockten uns und siehe da, alle Touristen wie weggeblasen. Der gemeine Tourist will eben nicht wandern, sondern Hotspots auf Instagram posten.
Die Abruzzen südöstlich von Rom gehören ebenfalls zum Apennin und gelten als die nördlichste Region von Süditalien. Wir liessen uns in Villetta Barrea auf einem idyllischen Campground nieder. Morgens und abends zogen die Hirsche durch das Campinggelände und wir genossen mehrheitlich wieder herrliche Ruhe und Abgeschiedenheit. Zwischendurch einen italienischen Camper verscheuchen, der trotz riesigem Grundstück im Ausmass von zig Fussballfeldern mit Abstand von nur zwei Metern neben uns parken will (das argentinische Syndrom: da wo wir sind, muss es wohl schön sein), oder eine deutsche Weissware-Reisende zurechtweisen, welche die Hirsche mit feinen aus Deutschland mitgebrachten Leckereien füttern will, aber ansonsten keine Störungen. Wunderschöne Wanderungen und Landschaften beglückten uns. Vielleicht sind wir mittlerweile halt doch eher Berg- als Meermenschen. In der Nähe von Majella fanden wir einen weiteren hübschen Platz eines ehrgeizigen Gastgebers und genossen noch mehr traumhafte Tage in den Bergen. Ein Ausflug zu den Ruinen von Juvaneum konnte zwar Pompeij nicht ersetzen, war aber etwas Entschädigung. Und ein Tagesausflug an die Adria nach Fossacesia bestätigte uns: kann man, muss man aber nicht.
Über Saubadia (nein, nicht ein Ort in Timbuktu, sondern am Meer westlich von Rom) und Perugia, die hübsche Universitätsstadt, ging es zum Abschluss in die Cinque Terre in Ligurien. Alte Heimat so zu sagenb, wenn auch auf der anderen Seite von Genua. Im hübschen Städtchen Levanto, welches zwar nicht zu den Cinque Terre gehört, aber wunderschön darin eingebettet ist, liessen wir uns noch für ein paar Tage auf dem Camping Acqua Dolce nieder. Im Nachgang von Pfingsten war hier sehr viel los, insbesondere waren wieder mal die Teutonen in Überzahl vorhanden (Pfingsturlaub dauert in Deutschland ja gefühlte 2 Monate bis dann die Sommerferien beginnen). Zum Glück sind wir so klein und können uns fast in jede Lücke zwängen (ok, unser Foxwing hätten wir nicht aufspannen können, aber mit den vielen schattenspendenden Bäumen kein Problem). Entsprechend konnte uns noch ein Plätzchen auf einer der obersten Terrassen zugewiesen werden und wir genossen ein paar Tage mit Beach, Wandern und der besten Fischküche Italiens. Vielleicht ist es nur Sentimentalität, aber in Ligurien wird einfach der beste Fisch, der beste Riso Mare, die besten Muscheln und ultimo, ma non meno importante, der beste Pulpo Salat zubereitet. Und an alle Griechen und Spanier und Toskaner: das ligurische Olivenöl ist das Beste der Welt! Herrlich, so macht Meer dann doch Spass!
Wie immer gehen auch 3 Wochen zu schnell vorüber und über unser zweites Zuhause in Davos ging es dann zurück in die Heimat.
3 Wochen Italien resultieren für uns in einem gemischten Fazit: Italien ist riesig, die Welt in einem Land und bietet alles von Nord bis Süd. Unsere Reise hat uns in unterschiedliche Regionen, Kulturen und Landschaften gebracht. Süditalien, mindestens der Teil, den wir bereist haben, wird nicht zu unserer Lieblingsdestination. Der Norden gefällt uns besser. Von totaler Abgeschiedenheit bis zum touristischen Wahnsinn haben wir alles gesehen. Auch in Italien kann man schlecht essen, aber man kann natürlich auch kulinarische Höhenflüge der Spitzenklasse erleben. Die Italiener können unglaublich nerven (vermutlich wie alle Nationen dieser Welt), sind laut und kennen keine Privatsphäre... aber trotz allem muss man sie einfach gernhaben. Sie sind sehr gastfreundlich, aufgeschlossen und wissen, wie man das Leben geniessen kann. Da können wir uns schon auch mal ein Stück abschneiden. Vielleicht ist man als halbe Italienerin etwas kritischer gegenüber seinen Landsleuten eingestellt, nichtsdestotrotz ist und bleibt Italien ein großartiges, spannendes und vielseitiges Reiseland, welches mit einer unglaublichen Kultur und Geschichte aufwarten kann. Italien ist nicht gleich Italien, von Nord bis Süd so unterschiedlich und immer wieder eine Reise wert! Wir freuen uns auf das nächste Mal!