Juli / August 2014: Villa de Leyva bis Popayan (Kolumbien)
Eins vorweg und wieder mal der Beweis, dass man den Tag nicht vor dem Abend loben soll: das Abschleifen der Bremsklötze hat nichts genützt. Das Quietschen der vorderen rechten Bremse kam leider wieder zurück. Das zwischenzeitliche Verschwinden des Quietschens lag wohl daran, dass sich die Bremsen während der Prozedur abgekühlt haben. Hmm.. was tun? Wollen wir uns deswegen die Fahrt nach Bogotà antun? Von anderen Reisenden und auch von Kolumbianern selber hörten wir mehrmals, dass der Verkehr in der Hauptstadt dramatisch sein muss. Obwohl wir ja dank Frau Gramin schon fast sämtliche Hauptstädte Zentralamerikas durchfahren und überlebt haben, entschieden wir uns gegen Bogotà und somit auch schweren Herzens gegen das Goldmuseum. Nächstes Mal! :-)
So genossen wir unsere Tage in Villa de Leyva weiterhin. Das Hostal Renacer ist dafür genau der richtige Ort und bietet alle Annehmlichkeiten, die sich ein Camper wünscht. Sogar heisse Duschen durften wir wiedermal erleben! Auf einer Höhe von über 2000m ü. M. ein absolutes Plus. Ja, man wird bescheiden. Villa de Leyva ist ein wunderhübsches Kolonialdörfchen, das unter Denkmalschutz steht. Der Zufall wollte es, dass zur selben Zeit unseres Aufenthalts, das Fest der Virgen del Carmen gefeiert wurde. Jeden Tag gab es Prozessionen durchs Städtchen und auf der grossen Plaza fanden Chilbi, Tanz und Feuerwerke statt. Auch rund um Villa de Leyva gab es einiges zu entdecken. Wir besichtigten das Terrakotahaus, welches von einem durch geknallten kolumbianischen Architekt im Gaudischen Stil komplett aus eben Terrakotta erschaffen wurde. Auch gab es wiedermal Steine zu besichtigen, wenn auch nicht ganz so Eindrückliche. Der Parque El Infiernito mit seinen phallusartigen Obelisken war die wichtigste religiöse Stätte der Muisca. Die Fossilienstätte liessen wir links liegen, Dinosaurierknochen können wir schliesslich auch im Aatal besichtigen, und besuchten dafür das Kloster Ecce-Homo. Das Kloster wurde 1650 von den Dominikanern gegründet und erlebte eine turbulente Vergangenheit. Leider wurden dabei viele religiöse Kunstgegenstände geraubt, aber die Kirche und die Kapelle sind immer noch eindrücklich anzuschauen. Um auch wiedermal in Bewegung zu kommen unternahmen wir eine wunderschöne ganztägige Wanderung mit einem Guide. Dieser führte uns über Wiesen, Bäche und vorbei an Wasserfällen, und dann zum Schluss noch über den gefährlichen Paso de Angel. Nicht ganz ohne, vor allem für Leute mit Höhenangst. Auch Fernsehsport betrieben wir und bekamen live und ungefiltert mit, wie Brasilien und Holland untergingen an der Fussball-WM und Deutschland Weltmeister wurde.
Auch Karin und Markus trudelten noch im Hostal Renacer ein und verwöhnten uns – nach unserem anstrengenden Hike – mit einem dampfenden Topf Spaghetti Carbonara. Das war soooo lecker, vielen Dank!! Aber wie immer, hiess es dann – vorerst mal wieder – Abschied zu nehmen und wir machten uns auf den Weg Richtung Guatapé. Die Strasse führte uns dabei über die zentrale Kordillere, wand und schlängelte sich, rauf und runter, durch gefühlte 20 Klimazonen. Nach 2 Tagen Fahrt erreichten wir dann Guatapé. Dieses Städtchen ist Wochenendziel der Medelliner und liegt wunderschön an einem Stausee. Herausragendes Monument ist El Peñol, ein ca. 200m hoher Granitfelsen. Man kann ihn über 649 Treppenstufen erklimmen und die wunderbare Aussicht auf das Umland geniessen. Simone, immer noch traumatisiert vom Paso de Angel, verzichtete darauf und überliess Michi den alleinigen Aufstieg.
Und hier noch eine typische Geschichte, wie die Suche nach einem Stellplatz in Kolumbien ablaufen kann: Als wir in Guatapé ankamen, mussten wir feststellen, dass es den hiesigen Campground nicht mehr gibt. Da war nur noch eine grosse Baustelle. Sich daneben stellen war definitiv keine Option. Also suchten wir vergeblich das Hostal El Encuentro, welches in einem Hostal Verzeichnis mit Campingmöglichkeit aufgelistet war. Nach mehreren Fahrten hin und her durchs Dorf (die engen steilen Gassen machen bei der Suche wenig Spass) fragten wir einen Taxi bzw. TukTuk Fahrer. Er bot uns an, natürlich gegen Bezahlung, uns zum Hostal zu führen. Dort angekommen, realisierten wir, dass Camping im Auto an diesem steilen Hang ebenfalls keine Option ist. So fragten wir den jungen Typen im angeschlossenen Restaurant nach einer anderen Campingmöglichkeit. Er wusste sofort einen schönen Platz, una Finca muy hermosa. Aber die Besitzerin komme erst um 15 Uhr. Nun denn, wir mussten eh was zu Mittag essen. Nach dem Essen erfuhren wir, dass die Besitzerin nun doch erst um 17 Uhr komme. Ok, wir gingen mal den grossen Stein besichtigen und kamen wieder. Um 16.30 Uhr standen wir wieder auf der Matte. Die Besitzerin der Finca war nun tatsächlich hier, war aber in irgendwelche Diskussionen mit einem Herrn verstrickt. Dann stand sie auf und wollte verschwinden. Der junge Kellner sagte ihr, dass wir nun mitkommen auf die Finca. Sie sah wenig begeister aus und fuhr in einem Affentempo die Naturstrasse bis zur Finca. Ok, der Platz war wirklich toll. Die gute Frau war aber im Irrglauben, dass wir die ganze Finca mieten wollen. Nö, nur campen. Ach so.. sie nannte dann zuerst einen Preis, der utopisch war. Wir schlugen aus und wollten bereits wieder gehen. Dann halt doch in ein Hostal. Aber schliesslich willigte sie zum von uns vorgeschlagenen Preis ein und wir durften bleiben. Während unseres Aufenthalts von zwei Nächten kamen und gingen hier Leute und wir verstanden nicht, was das hier eigentlich genau darstellen sollte. Angeblich will man hier ein Hostal mit Camping eröffnen. Egal, uns hat‘s hier gefallen und die Ruhe war einfach traumhaft.
Von Guatapé ging‘s dann in den ehemaligen Welt-Hauptsitz der Drogenbarone: Medellin. Bis Ende 80er Jahre war diese Stadt hart umkämpft und in Händen des berühmt berüchtigten Medellin Kartells. Dessen Anführer, Pablo Escobar, wurde aber 1994 nach diversen erfolgreichen Fluchten aus Gefängnissen erschossen. Seither herrscht Ruhe und die Stadt ist überaus sicher. Einziges Überbleibsel: man kann anlässlich einer Pablo Escobar Tour ein paar der unzähligen Villen, die ihm gehörten, besichtigen. So kann man also aus dem ehemals gefürchtetsten Mann des Landes irgendwann doch noch Kapital schlagen. Wir verzichteten auf diese Tour und widmeten uns anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Diese sind zwar nicht immens zahlreich, aber ein paar Trouvaillen gibt’s schon. So ist die Plaza Botero mit ihren Skulpturen des gleichnamigen Künstlers auf jeden Fall einen Blick wert. Botero hat Medellin die Skulpturen geschenkt, da es zu mühsam war, diese irgendwo hin zu transportieren. Aber auch ein Gang durch den Friedhof San Pedro lohnt sich. Auf diesem 1828 erbauten Friedhof sind einige der schlimmsten Drogenbarone begraben, aber nicht Pablo Escobar. Die Mariachi Musik aus den Lautsprechern hat man nach einer gewissen Zeit wieder entfernt. Welch Glück für unsere Ohren! Und dann natürlich nicht zuletzt, kann man mit den Gondeli über die ehemals als Favelas eingestuften Wohnsiedlungen von Santo Domingo am Rande der Stadt schweben. Diese dienen tatsächlich als Verkehrsmittel und als Verbindung zur Metro ins Stadtzentrum. Medellin hat uns nicht aus den Schuhen gehauen, es ist eine moderne Stadt mit wenigen kolonialen Gebäuden. Dafür bietet sie schöne Annehmlichkeiten wie tolle Hotels, Gourmet Restaurants, riesige Shopping Malls und gutes Nightlife rund um den Parque Lleras.
Nach so viel Stadt brauchten wir dann dringend eine Kaffeepause. Deshalb fuhren wir auf direktem Weg zur Hacienda Venecia bei Manizales. Die Kaffeefinca ist mit ihren rund 200 Hektaren eine der Grösseren in Kolumbien, allerdings lange nicht die Grösste. Sie ist wunderschön inmitten der Kaffeeplantage gelegen und bietet Unterkunft für jeden Geschmack. Man kann im gediegenen Haupthaus in antiken Zimmern übernachten oder man kann im Hostelteil, ebenfalls mit herrlichem Pool und wunderschöner Anlage, in Zimmern und auf dem Camping hausen. Wir entschieden uns natürlich für Letzteres und genossen unseren Platz mit Blick über die Kaffeefelder. Um ihre Kasse aufzubessern begannen die Kaffeefincas übrigens während der Kaffeekrise ab 2001 damit, Touristen zu beherbergen und Kaffetouren anzubieten. Natürlich nahmen wir auch an einer der täglich stattfindenden Touren teil und lernten so viel über Kaffee. Für diejenigen, die es interessiert hier nur ein kleiner Abriss:
Man geht davon aus, dass Kaffee seinen Ursprung in Äthiopien hatte, da er dort seit dem 9. Jh. Erwähnung in der Literatur findet. Heutzutage wird er in über 50 Ländern produziert. Die grössten Produzenten sind Brasilien, Vietnam, Indonesien und Kolumbien, in der gleichen Reihenfolge. Die beiden wichtigsten Kaffeearten sind Arabica, mit einem Weltanteil von ca. 60% und Robusta, mit einem Weltanteil von ca. 36%. Für den Anbau wird ein ausgeglichenes Klima benötigt, weshalb Kaffeeanbau ausschliesslich in den Tropen rund um den Äquator funktioniert. Eine Kaffeepflanze braucht ca. 3 Jahre bis sie ausreichend Früchte trägt und tut dies dann bis 20 Jahre. Sie produziert ca. 2,5 Kilo Früchte im Jahr. Für 1kg gemahlenen Kaffee braucht es im Schnitt etwa 5kg Früchte. Die Ernte findet einmal im Jahr statt, in gewissen Gebieten wie Kolumbien sogar zweimal. Nach der Ernte wird der Kaffee nass oder trocken aufbereitet, vom Pergamenthäutchen befreit, gereinigt und aussortiert. Bei hochwertigem Kaffee geschieht das Aussortieren von Hand. Die Röstung wird meistens nicht in den Produktionsländern, sondern in den Bestimmungsländern vorgenommen. Kaffee ist nach wie vor ein Luxusgut und für die meisten Leute in den Produktionsländern zu teuer. Dies erklärt auch, wieso der Kaffee in Lateinamerikanischen Ländern grösstenteils ganz grauenhaft schmeckt: mindere Qualität (da die gute Qualität in den Export geht) und keine Ahnung, wie man guten Kaffee macht.
So, nun wissen wir also wieso Kaffee so teuer ist. Wir waren wirklich überrascht, was alles dahintersteht und wie langwierig der Prozess ist. In Zukunft werden wir unseren Kaffee wohl mit etwas mehr Verstand geniessen. Nebst herrlich faulen Tagen auf der Hacienda Venecia unternahmen wir auch noch einen Ausflug in den Parque Los Nevados bzw. an den Rand desselben. Wie uns Juan Pablo, der Besitzer der Finca, erklärte, lohnt es sich für uns Schweizer kaum, in den Park hineinzugehen. Da sieht man in erster Linie Schneefelder und man darf nur mit Guide wandern. Deshalb empfahl er uns, einfach der Strasse entlang des Parks zu fahren und die spezielle Landschaft zu geniessen. Was wir auch taten. Bis auf über 4‘000m ü. M. schlängelten wir uns auf der Naturstrasse empor zu immer bizarreren Landschaftsformen und Vegetation.
Nach einem weiteren Tag Faulenzen auf der schönen Hacienda Venecia zogen wir dann weiter südwärts Richtung Desierto Tatacoa. Nach 2 Tagen Fahrt, wie immer hinter aneinandergereihten LKW’s und gefühlten 700 Baustellen, erreichten wir eine unwirkliche Gegend. Man hätte auch irgendwo in Arabien sein können. Ziegen wanderten durch den Sand, es war extrem trocken und heiss und wir hingen non stop an unseren Wasserflaschen. Die Wüste Tatacoa liegt zwischen der Ost- und Zentralkordillere in einem Flusstal. Die durchschnittliche Regenmenge beträgt nur gerade 1000mm pro Jahr bei einer durchschnittlichen Tagestemperatur von über 28°C und damit ist die Verdunstung grösser als der Niederschlag. Für einmal soffen wir mehr Wasser als Bier, um wenigstens unseren Flüssigkeitshaushalt in Schwung zu halten. Alle anderen Funktionen waren irgendwie eingeschränkt und so schleppten wir uns ziemlich halblebig durch die Wüste. Wir wurden aber belohnt mit eindrücklichen Landschaftsformen, die irgendwie ein wenig an den Bryce Canyon erinnerten. Erst am Abend nach Sonnenuntergang wurden die Temperaturen erträglich und wir konnten einen atemberaubenden Sternenhimmel geniessen.
Buchstäblich von der Dürre in den Regen ging‘s dann am nächsten Tag, wiedermal Klimawechsel wie er nicht dramatischer sein könnte. In San Agustin erwartete uns nicht nur ein UNESCO Weltkulturerbe, sondern auch Wasser in Unmengen. Auf der völlig aufgeweichten und matschigen Wiese des Camping Gamcelat stellen wir unsere Zelte auf. Mit Müh und Not arbeitete sich Fritz dank Untersetzung und Differential zum besten Platz, wo es wenigstens noch eine kleine Palapa gab und wir somit unsere Stühle und Tisch aufs Trockene stellen konnten. Es regnete frisch fröhlich weiter und bald sahen wir und Fritz aus, als ob wir am Gurtenfestival dabei gewesen wären. Nach einem Tag Nichtstun, frieren und der Wiese zuschauen, wie sie noch schlammiger wurde, stoppte der Regen dann aber am nächsten Tag doch mal noch. Und so machten wir uns schleunigst auf, die Statuen und Monumente aus der praekolumbianischen Zeit von 100 bis ca. 1‘200 n.Chr. zu begutachten. Dabei waren die Stein- und Felsskulpturen das prägende Merkmal dieser Totenstätte. Sie sind entweder einzeln oder in Gruppen oder auch in Tempeln angeordnet und mit einfachsten Werkzeugen aus dem Fels gehauen. Nun denn, sie halfen uns ganz sicher, uns wieder auf all die Ruinen und Steine einzustimmen, welche in Peru und Bolivien auf uns warten.
Da wir genug von Pflotsch und Schlamm hatten, nahmen wir am nächsten Tag die direkte Strecke von San Agustin nach Popayan in Angriff. Gemäss unseren Quellen erwarteten uns 130km unbefestigte Strasse durch wunderschöne Landschaften. So standen wir ganz früh auf, liessen sogar den Kaffee aus, assen nur ein kurzes Frühstück und machten uns auf die Socken. Michi hat sich am Tag vorher noch bei der Polizei erkundigt, ob die Strecke sicher sei. Daumen hoch, und somit konnte es losgehen. Wir sind ja nicht die „Um-alles-in-der-Welt-und-asphaltierte-Strassen-sind-doof-Offroader“ aber ein bisschen enttäuscht waren wir dann schon, als sich herausstellte, dass über die Hälfte der Strecke mittlerweile asphaltiert ist. So kam es, dass wir bereits am Mittag mit einem Bärenhunger in Popayan ankamen und unser vorgebuchtes Hotelzimmer beziehen konnten. Hier wollen wir nämlich wiedermal ein paar Tage Urlaub vom Campen machen, eine hübsche Kolonialstadt mit all ihren Annehmlichkeiten geniessen und unsere Füsse vom Schlamm säubern. Ein letzter längerer Halt in Kolumbien, bevor wir dann Richtung Grenze Ecuador ziehen. Ab jetzt erwarten uns Länder, die wir schon kennen. Aber gerade deshalb freuen wir uns umso mehr, auf das, was noch vor uns liegt.