März 2015: Ushuaia (Argentinien) bis Jaureguiberry (Uruguay)
Die vielgerühmte angeblich südlichste Stadt der Welt, Ushuaia, ist eigentlich gar nicht was sie verspricht. Der wirklich südlichste Ort der Welt ist nämlich Puerto Williams in Chile am Beagle Kanal liegend. Offenbar funktioniert das Marketing von Argentinien aber deutlich besser. Zudem erreicht man Puerto Williams nicht mit dem Auto und somit war Ushuaia für uns tatsächlich der südlichste Punkt unserer Reise. Abgesehen davon bot diese Stadt für uns aber nur noch ein grosses Highlight. Christa und Werner, unsere Freunde aus der Schweiz, kamen – wie schon in Belize – mit einem Kreuzfahrtschiff hier an und hatten für einen Tag Landgang. Darauf haben wir gezielt und wir freuten uns mächtig, die beiden in die Arme zu schliessen. Mit ihnen verbrachten wir einen wundervollen Tag im Nationalpark Tierra del Fuego, verschickten Postkarten und genossen einfach die gute Gesellschaft. Viel zu bald mussten die beiden aber wieder zurück aufs Schiff und überliessen uns unserem Schicksal.
Mit viel guter Schweizer Schoggi bestückt – danke Christa! – machten wir uns bald darauf auf unseren langen Weg nordwärts. Montevideo war das Ziel, dort wird unser Fritz seinen Seeweg nach Bremerhaven antreten. 3‘094 Kilometer zeigte die Tafel in Ushuaia für die Strecke nach Buenos Aires an. Endlose Kilometer durch die weite und windige Pampa Argentiniens. Nichts ausser eben Nichts und ein paar staubige Städtchen entlang der Ruta 3. Wir reisten nochmals und gleichzeitig ein letztes Mal nach Chile ein, da es keine direkte Verbindung auf argentinischer Seite gibt, um dann gleich am nächsten Tag wieder zurück in Argentinien zu landen. Die Grenzübergänge waren zum Glück schnell und schmerzlos. Dafür zeigten uns die Kilometerzähler entlang der Ruta 3 unbarmherzig an wie langsam wir vorankamen. Nun denn, ein paar Highlights, genauer gesagt drei, gab es dann trotzdem noch:
Eines davon war der Monte Leon Nationalpark. Er ist Heimat einer grossen Kolonie von Magellan Pinguinen, die hier von September bis April brüten. Danach verbringen sie ein halbes Jahr auf hoher See. Wir hatten Glück und konnten die kleinen Frackträger noch eingehend beobachten. Aber nicht nur der Atlantik brandete hier ungebremst rein, auch der Wind pfiff uns gnadenlos um die Ohren bzw. ums Hubdach. So entschieden wir schweren Herzens, nach nur einer, dafür aber umso schlafloseren Nacht, weiter zu ziehen. Und dieser Entscheid entpuppte sich dann ein paar Tage später als goldrichtig.
Nach einem kleinen Abstecher über das walisische Städtchen Gaiman, gegründet 1874 von walisischen Siedlern und bekannt für seine unzähligen Teehäuser, kamen wir auf der Peninsula Valdez an. Dieser Nationalpark ist ein Paradies für Hobby-Biologen (vermutlich auch für die Echten) und hier wartete unser zweites Highlight. Nebst Seelöwen und -elefanten tummeln sich hier in der zweiten Jahreshälfte Wale vor der Küste und man kann diese vom Strand aus beobachten. Dieses Zeitfenster hatten wir allerdings schon längstens verpasst, die Wale sind zu dieser Jahreszeit in anderen Gefilden bzw. Gewässern. Viele wissen aber nicht, dass es hier das ganze Jahr über auch Orcas gibt, die ihren grossen Auftritt zwischen Februar und April haben. Der Grösste aus der Familie der Delphine hat hier nämlich eine ganz besondere Jagdtechnik entwickelt. Bei Flut wuchtet er sich an den Strand und holt sich kleine Seelöwenbabies. Diese Art des Jagens wurde bisher nur auf der Peninsula Valdez dokumentiert. Da das optimale Zusammenspiel von Flut am Nachmittag und in der Hitze am Wasser spielende Seelöwenbabies zwischen Februar und April auftritt, waren wir also genau zur richtigen Jahreszeit da. Im Visitor Center teilte man uns allerdings mit, dass seit 15 Tagen keine Orcas gesichtet wurden und somit unsere Chancen nicht die Besten seien. Mit etwas gedämpfter Euphorie, aber doch voller Hoffnung machten wir es uns beim Kanal vom Punta Norte, wo diese Jagdtechnik des Öfteren beobachtet wurde, mit Stühlen, Ferngläsern und Proviant bequem und stellten uns auf eine mehrtägige Wartezeit ein. Der andere Teil unserer Reisefamilie, Karin und Markus (www.2infahrt.ch), war auch da und so liessen wir in bester Gesellschaft die Minuten und Stunden verstreichen. Das Beobachten der Touristenscharen ist ja sowieso immer wieder grosses Kino. Und die Seelöwenbabies spielten friedlich am Wasser und waren trotz ihres strengen Düftchens total putzig anzusehen. Zwischenzeitlich wurden wir sogar etwas unsicher, ob wir wirklich sehen wollten, wie sie im Rachen eines Schwertwals landen.
Und dann, am späteren Nachmittag, kam plötzlich Bewegung in die Park Ranger, welche hier Wache schoben und die Touristen davon abhielten, selbst zu Köder zu werden. Orcas im Anzug! Von weitem sahen wir ihre langen Finnen aus dem Wasser ragen, während sie relativ zügig an uns vorbei an der Küste entlang zogen. Schon fast wollten wir unsere Zelte für den Tag abbrechen, da stellten wir fest, dass die schwarzweiss Gefleckten wieder umdrehten. Sie schwammen genau in unsere Richtung, und von nun an bot sich ein äusserst spannendes Schauspiel. Die Orcas schwammen immer wieder nahe zum Strand, beäugten die Situation und brachen dann ihre Angriffe ab, teilweise auch durch mutige Seelöwenmütter vergrault. Ein weiteres Mal zogen sie ab, um dann kurze Zeit später zurück zu kommen. Und dann kam der Angriff, kurz und trocken. Ganz langsam schwamm eines der Orca Weibchen zum Strand, liess sich mit der nächsten Flutwelle auf den Sand schwemmen, schnappte zu und verschwand mit dem Seelöwenbaby im Maul wieder in den Fluten. Wie elektrisiert verfolgten wir die Geschehnisse. Dieses Glücksgefühl war einfach unbeschreiblich. Lachen und Weinen gleichzeitig. Ok, ein Seelöwenbaby weniger, aber such is nature! Und wir waren live dabei, direkt vor unserer Nase bot sich das Schauspiel, auf das National Geographic Filmer und Tierfotographen aus der ganzen Welt jahrelang warten. Total betrunken von diesem einmaligen Erlebnis kehrten wir zum Campground zurück und feierten mit Karin und Markus unser Glück. Übrigens hörten wir von anderen Reisenden, die tagelang nach uns ebenfalls am Punta Norte sassen und warteten, dass sich die Orcas nicht mehr zeigten. Immer noch nicht können wir unser Glück fassen!
Gleichzeitig hiess es aber auch Abschied von Karin und Markus zu feiern. Sie fuhren nun mehr oder weniger direkt nach Buenos Aires, um dort ihre Motorräder und sich selber nach Europa zu verfliegen. Der Abschied wird aber kaum für lange währen, wir werden uns sicher bald in der schönen Schweiz wiedersehen. Früher als gedacht zogen auch wir wieder von der Peninsula Valdez ab. Die zugewonnenen Tage wollten wir eigentlich entlang der Strände Richtung Mar de Plata verbringen. Diese entpuppten sich aber als der totale Flopp. Da die Hochsaison bereits vorbei war, waren die meisten Orte schon dicht, verlassen und die Campgrounds grösstenteils geschlossen. Und diejenigen, die noch offen waren, entsprachen in keiner Art und Weise unserer Vorstellung von Strandurlaub geschweige denn minimalen Hygiene Grundsätzen. Einmal mehr enttäuscht von den Küstenorten fuhren wir dann von Bahia Blanca direkt Richtung Buenos Aires und liessen die Küste Küste sein.
Kurz vor Buenos Aires, in der Gegend von Azul, erwischte es uns dann aber tatsächlich noch mit einem korrupten Polizisten, bzw mit einer ganzen Batterie davon. Bis dahin hatten wir nie schlechte Erfahrungen gemacht mit der hiesigen Polizei. Unter Reisenden kursieren die wildesten Geschichten von Polizisten, die vor allem in die eigene Tasche wirtschaften. Bei uns: NIE! Bis eben kurz vor der Millionenmetropole Buenos Aires. Und das hat sich so zugetragen:
Wir waren zufrieden auf der Landstrasse unterwegs. Nach einem Bahnübergang gab es eine doppelt ausgezogene Linie und zwei langsame LKWs vor uns. Michi, schon ganz Argentinier auf der Strasse, gab kurz Gas und überholte die beiden. 100 Meter später wurden wir von einer freundlichen Politesse raus gewunken. Mist! Wir gingen mit der altbewährten Technik kein Wort Spanisch zu sprechen und nur Kopien der Ausweise zeigend rein in die Diskussion. Leider war dann bald fertig mit netter Politesse und an ihrer Stelle kam ein Latino Bulle wie aus dem Bilderbuch vorbei. Wir hätten gegen das Gesetz 12995B (oder so ähnlich) verstossen, das koste 4‘000 Pesos, umgerechnet 450 CHF. Wir müssten die Busse bezahlen, bevor wir das Land verliessen, die Ausweise würde er bis dahin behalten. Wir immer noch nicht des Spanischen mächtig zuckten mal die Schultern und schauten uns fragend an. Das wurde dem Herrn Polizisten zu blöd, und er schickte Michi zu seinem Jefe. Dieser wollte dann plötzlich 4‘500 Pesos, das Gesetz war dann auch irgendein anderes. Irgendwann, als Michi immer noch partout nicht Spanisch sprechen wollte, versuchte er’s dann auf die krumme Tour. Wir könnten ihm mit einer ‚Spende‘ helfen, das Problem unbürokratisch zu lösen. Die Rückfrage, wie viel das sein sollte, beantwortete er mit 2‘000 Pesos, also immer noch weit über 200 CHF. Idiot, ein paar Pesos hätten wir ihm in der Rachen geschmissen, wir haben ja auch was falsch gemacht, aber sicher nicht 2‘000 Pesos. Also konnte Michi dann plötzlich Spanisch und meinte, entweder machen wir das offiziell oder gar nicht. Daraufhin war der Polizist am Ende, schmiss Michi die Ausweise bzw die Kopien vor die Füsse und forderte ihn auf, zu verschwinden. Tja, eine Lateinamerika Reise ohne eine solche Episode wäre wohl nicht vollkommen gewesen :-)
An der Laguna Lobos, etwas ausserhalb der grossen Stadt, machten wir Halt, denn hier wartete unser drittes Highlight auf uns. Auf der La Dolfina Ranch war ein Polo Turnier angesagt. Etwas, das man in Europa kaum zu sehen kriegt bzw. nur in sehr elitären Kreisen ausgeübt wird. Pünktlich um 11 Uhr des nächsten Tags trabten wir an und wurden auf den Nachmittag vertröstet. Es sei zu heiss für die Pferde. Einverstanden, bei 35 Grad im Schatten konnten wir dem Glauben schenken. So kamen wir um 16 Uhr nochmals und da waren sie denn auch alle da. Es war interessant, rasant schnell und unglaublich schweisstreibend. Aber wieso wir die Allereinzigen waren, die ein Polo Shirt trugen, wissen wir nicht. Weder Spieler noch Zuschauer tragen solche, sondern nur kragenlose Jersey Trikots. Nun denn, das Polo Hemd hat seinen Ursprung im 20. Jahrhundert in Indien und hat im Sport, ausser im Golf, wohl längst ausgedient.
Wir genossen noch ein paar letzte Tage in Argentinien bei süssem Nichtstun und machten uns dann zur Grenze nach Uruguay. Der letzte Grenzübergang mit Fritz war wohl der kürzeste und schmerzloseste aller und so konnten wir noch am gleichen Tag ins schöne Colonia del Sacramento einfahren. Wie immer in Städten zogen wir ein Hotel in der Innenstadt einem Campground in den Aussenbezirken vor und fanden eine hübsche kleine Posada in der Altstadt. Die älteste Stadt von Uruguay bezaubert durch ihre kopfsteingepflasterten Gässchen und eine ausgeprägte Restaurant Kultur. Das liessen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und so genossen wir zwei herrliche Tage bei Flanieren und gutem Essen.
Da uns noch etwas Zeit blieb, machten wir einen grossen Bogen um Montevideo und fuhren in den Santa Teresa Nationalpark. Dieser befindet sich im Nordosten Uruguay, nahe zur brasilianischen Grenze. Die Hauptattraktion des Nationalparks sind seine wunderschönen Strände. Endlich war wiedermal ein richtiger Strandtag angesagt. Einfach ein Badetuch ausbreiten, auf die Wellen schauen, lesen und sich einen tierischen Sonnenbrand einfahren. Fast wie Ferien! Ja, und dann wurde es Zeit, endgültig den Heimweg anzutreten. Wir wollten Fritz, der an allen Ecken und Enden komische Geräusche von sich gibt, nicht mehr allzu viel zumuten und landeten, etwas früher als geplant, sozusagen zu Hause.
Im Paraiso Suizo bei Jaureguiberry leben Heinz und Silvia, die Auswanderer Schweizer, und zeigen hier, was Schweizer Gastfreundschaft ist. Sie betreiben eine kleine Bungalow Anlage mit Restaurant und erlauben Overlandern auf ihrem riesigen Grundstück zu campen. Viele lassen ihre Fahrzeuge gleich hier stehen und kommen wieder. Aber viele bereiten sich hier auf die Verschiffung vor und lassen die grosse Reise gemütlich ausklingen. So auch wir, wir werden hier die Karwoche und Ostern verbringen. Danach leisten wir uns für ein paar Tage in Punta del Este ein schönes Hotel und machen nochmals Strandurlaub. Anschliessend werden zurück ins Paraiso Suizo fahren, um dort auf unseren definitiven Verschiffungstag zu warten und Fritz entsprechend vorzubereiten. Während er dann drei Wochen auf See Richtung Bremerhaven schaukelt, werden wir noch Montevideo und Buenos Aires erkundigen und dann per Flugzeug Richtung Heimat steuern.