Januar / Februar 2015: Cochrane (Chile) bis Ushuaia (Argentinien)
Auf unserer Weiterreise verwöhnte uns Patagonien mit weiteren Highlights und Traumwetter. Bei viel Sonnenschein und milden Temperaturen verliessen wir die Carretera Austral und machten uns wieder Richtung Argentinien auf. Unsere Entscheidung, dafür über den Paso Roballos zu fahren, erwies sich als goldrichtig. Eine wunderschöne Landschaft mit riesigen Guanaco Herden zog an uns vorbei. Diese wilde Art des domestizierten Lamas lebt vor allem im südlichen Südamerika. Einst durch Abschuss stark dezimiert, sind sie heute nicht mehr bedroht und werden deshalb während der Saison auch wieder bejagt. Wir kreuzten auch den Parque de la Patagonia, ein weiterer Privatpark des US Amerikaners Douglas Thompkins. Der Gründer von North Face und heutige Umweltaktivist erwirbt seit dem Verkauf der Marke immer wieder grosse Flächen von Land in Chile und Argentinien und macht diese zu Naturschutzgebieten und Nationalpärken. Sein bekanntestes Projekt ist der Pumalin Park nördlich von Chaiten. Der Mann tut viel Gutes und investiert sein Vermögen in den Umweltschutz, ist hier aber auch nicht ganz unumstritten.
Auf der Suche nach einem Nachtlager kurz vor der Grenze sahen wir dann schon von weitem etwas Weisses am Hügel blinken. Auf leisen Sohlen bzw. Reifen (so gut das eben mit Fritz geht) schlichen wir uns an. Tatsächlich, Erica & Sam (www.songoftheroad.com) wollten sich hier verstecken. Vielleicht auch vor uns, aber das ging tüchtig in die Hose. So schlugen wir unser Lager gemeinsam auf, kämpften gegen lästige Pferdebremsen und bauten eine wunderschöne Feuerstelle, welche wir dann nicht benützten und tranken wieder mal schön Rum & Cola.
Am nächsten Morgen reisten wir nach einem Grenzübergang mitten im Nirgendwo wieder nach Argentinien ein. Der Zöllner fragte uns nach Gemüse und Früchten, die wir natürlich verneinten, fand dann die Kartoffeln und wies uns darauf hin, dass sie eigentlich Gemüse seien, er sie aber nicht gesehen hätte. Den Blauschimmelkäse von Sam & Erica wollte er sich dann aber nicht entgehen lassen. Das war wohl doch zu verlockend und sicherte ihm vermutlich ein schönes Käseplättli zum Znacht. Zum Glück kennt er das Schweizer Gericht „Gschwellti & Chäs“ nicht, sonst wären wir garantiert auch die Kartoffeln losgeworden.
Gleich nach dem Pass änderte sich das Landschaftsbild dann drastisch und die patagonische Pampa hatte uns. Wir beschlossen, zusammen mit Erica & Sam den Nationalpark Perito Moreno zu besuchen. Das bedeutete zwar einen weiteren Umweg über ca. 200km Schotterpiste, aber er lohnte sich vollends. Der Park ist wenig bekannt und geht unberechtigterweise neben den Touristenmagneten El Chalten und El Calafate etwas unter. Für uns ein Glück, denn uns graute doch ein wenig vor den grossen Touristenmassen weiter südlich. So genossen wir die einmalige Landschaft des Parks mit seinen türkisblauen Lagunen bei wunderbarem Wetter, wenig Wind und hochsommerlichen Temperaturen. Nach einer sehr anstrengenden Wanderung auf den Cerro Leon (in Patagonien hat man offensichtlich noch nie etwas von der Erfindung Zick Zack Kurs gehört, der Weg führte einfach senkrecht zum Gipfel) wurden wir mit einem atemberaubenden Ausblick verwöhnt und netterweise vervollständigten noch fliegende Kondore das perfekte patagonische Bild. Oder hatten die aasfressenden Geier andere Pläne? Zurück auf dem Campground lernten wir noch Nathalie und Flavio (www.flathy.jimdo.com ) kennen, die mit ihrem Mercedes Bus gerade erst die Reise von Süd nach Nord begonnen haben. Ein bisschen Neid kam schon auf, die beiden haben noch so viel Schönes vor sich. Aber selbstverständlich wünschten wir den beiden eine tolle Reise und begossen dies einmal mehr mit Tee und Mineralwasser.
Eigentlich wollten wir auch noch den südlichen Teil des Parks besuchen, jedoch wurde uns vom Park Ranger falscher Hase schwerstens davon abgeraten. Ok, der Landy würde wohl durch die Schlammpassage durchkommen, aber der XP Camper mit seinen 5,5 Tonnen wohl kaum. Somit verzichteten wir auf ein weiteres Offroad-Abenteuer und machten uns auf den Weg nach El Chalten. Spontan entschieden wir uns, die Fahrt dahin in zwei Tage aufzuteilen. So hatten wir die Gelegenheit, in Gobernador Gregores unsere Vorräte endlich wiedermal richtig aufzufüllen und auch zu tanken. Von Nathalie und Flavio hatten wir nämlich vernommen, dass der Supermarkt in El Chalten nur einmal wöchentlich eine Lieferung erhält und die Gestelle somit entsprechend kubanisch aussähen. Also fuhren wir gleichentags durch die windige Pampa nach Gobernador Gregores und kamen bei patagonischen Höchsttemperaturen von 30°C an. Wer hätte das gedacht, dass wir hier unten so ins Schwitzen kommen. Seit langem hätten wir uns wiedermal über eine Klimaanlage gefreut. Bei Ankunft an der Tankstelle standen da bereits Michelle & Brian (www.sturgischick.com ) als Empfangskomitee und teilten uns mit, dass Diesel und Benzin erst wieder in zwei Stunden erhältlich sei. Zwei Stunden in Argentinien bedeuten nach schweizerischer Zeitrechnung mindestens 5 Stunden und deshalb gingen wir einkaufen und verschoben das Tanken auf den nächsten Tag. Nach fast vier Wochen Minimalversorgung kam uns der Supermarkt hier wie ein Paradies vor, und wir verfielen dem totalen Einkaufsrausch. Auf dem Municipal Camping bereitete Brian eine wunderbare Glut, auf der wir unser stolz erworbenes Fleisch grillieren durften. Was für ein Gaumenschmaus nach wochenlangem Büchsenfood!
Am nächsten Morgen und nach einer sehr hellen Nacht (Nein es war nicht der Mond, wir schliefen direkt unter einer Strassenlaterne) ging es dann aber endgültig nach El Chalten. Gespannt und andächtig fuhren wir die langweilige Strecke durch die Pampa. Schon kurz vor dem Abzweiger von der Ruta 40 kann man ihn dann sehen: Cerro Fitz Roy, unser Lieblingsberg! Für uns der schönste Berg der Welt. Ok, danach kommen gleich das Matterhorn und der Uetliberg :-) Nicht ganz wolkenfrei begrüsste er uns und verschönerte uns die Fahrt. Wir konnten uns kaum sattsehen. In den nächsten Tagen zeigte er sich aber dann noch schöner und ganz ohne Wolken, einfach gänsehautauslösend! Nebst Fitz Roy bestaunen und wandern genossen wir das Dörfchen El Chalten. Allerdings hat sich dieses seit unserem letzten Besuch vor 8 Jahren zum absoluten Giganten des Tourismus entwickelt, so dass das Pioniergefühl von damals ziemlich schnell verflog. Riesige Touristenhorden werden hier in der Hochsaison jeden Tag durchgeschleust und auch die Japaner mit ihren Pelzmützen, die sie stoisch auch bei 25°C tragen, haben dieses Fleckchen der Welt entdeckt. Nun denn, wir liessen uns nicht beirren und freuten uns einmal mehr darüber, dass wir so privilegiert unterwegs sein dürfen.
Von El Chalten ging‘s weiter zum nächsten Touristenmagnet El Calafate. Dieses Dorf ist das Eingangstor in den Nationalpark Los Glaciares und dem wohl berühmtesten Gletscher der Welt: Perito Moreno. Der einzige Gletscher auf der Welt, der zumindest (noch) nicht schrumpft. Ob er wirklich noch wächst ist wissenschaftlich umstritten. Er dehnt sich aber in jedem Winter noch massiv aus und kalbt dann im Sommer wieder ab. So bietet sich den Touristenmassen ein ohrenbetäubendes Spektakel, wenn die Eisschollen mit riesigem Getöse ins Wasser abbrechen. Leider verpassten wir am Tag unseres Besuches einen solchen Abbruch um ein paar Stunden. Tja, früher aufstehen wäre die Devise gewesen. Aber wir waren immerhin ganz stolz, dass wir es dieses Mal überhaupt zum Gletscher geschafft hatten. Letztes Mal haben wir nämlich verschlafen und so den einzigen Bus pro Tag zum Gletscher verpasst. Und eindrücklich war er allemal, der Perito Moreno, mit seinem blauschimmernden Eis.
Mit Karin und Markus genossen wir herrliche Tage am Lago Roca und dann auch noch in El Calafate selber, bevor wir dann wieder Richtung Chile aufbrachen. Wir bemerkten, dass die Zollbeamten von Chile, je südlicher im Land, desto fauler wurden. Dieses Mal wurden wir beim Grenzübertritt lediglich nach Gemüse und Früchten gefragt und mussten diese selbst zum Zöllner bringen. Zum Glück hatten wir noch eine faule Tomate im Kühlschrank, mit der sich der Zöllner, den wir wohl in seiner Mittagsruhe gestört hatten, dann auch vollends zufrieden gab.
In Puerto Natales empfing uns ein bissiger Wind und garstiges Wetter. So entschieden wir uns seit langem wieder einmal für ein warmes Hotelzimmer. Und entschieden uns schlussendlich, NICHT in den Torres del Paine Nationalpark zu gehen. Zum einen hatten wir vor 8 Jahren in diesem Park anlässlich eines Pferdetrekkings ein einmaliges Erlebnis und zum anderen hörten wir von anderen Reisenden, dass der Park total überlaufen sei und Touristenmassen im Gänsemarsch die Wanderwege bevölkern. Das wollten wir uns nicht antun. So unternahmen wir nebst kulinarischen Höhenflügen nur eine ganztägige Bootstour durch den Fiord Ultima Esperanza. Dabei wurden wir dann auf dem Fuss bestraft und senkten das Durchschnittsalter auf dem Schiff um gefühlte 50 Jahre. Für eine Wanderung von 1km im Gänsemarsch zum Gletscher Serrano brauchten wir über 30 Minuten (pro Weg wohlverstanden). Huarghhh, das war dann doch Höchststrafe!
Um eine Erfahrung reicher zogen wir weiter nach Punta Arenas, unsere letzte Station auf dem Festland bevor wir nach Feuerland rüber setzten. Mit Blick auf die Magellan Strasse genossen wir hier wiederum gutes Essen und süsses Nichtstun. Lediglich Fritz erhielt ein Arbeitsaufgebot. Sam und Erica (www.songoftheroad.com ) konnten mit einer defekten Kupplung noch knapp nach Punta Arenas reinfahren. Einmal abgestellt war dann allerdings kein Wegkommen mehr. So spielten wir Pannendienst, und Fritz zog den 5,5 Tonnen schweren Dodge RAM mit XP Kabine zum nächsten Mechaniker um die Ecke. Unser Dicker ist eben der Beste! :-)
Schlau wie wir sind entschieden wir uns, nach Feuerland nicht die Fähre von Punta Arenas nach Porvenir zu nehmen, sondern diejenige etwas weiter nördlich von Punta Delgada nach Cerro Sombrero. Diese ist viel billiger und fährt den ganzen Tag. Allerdings rechneten wir nicht mit ein, dass diese Woche in Argentinien ein Feiertag stattfand. Und wir wissen, was Feiertag in der absoluten Ferienhochsaison bedeutet. Ja, auch der hinterletzte Argentinier nahm sich in dieser Woche ein paar Tage frei und raste nach Ushuaia runter. Da die Argentinier keine eigene Fähre nach Feuerland besitzen, müssen alle über Punta Delgada. Resultat: 6 Stunden Wartezeit. So mussten wir uns die Ankunft in Feuerland hart verdienen, aber in den folgenden Tagen wurden wir entsprechend belohnt.
In der Bahia Inutil (unnütze Bucht), immer noch auf der chilenischen Seite von Feuerland, besuchten wir die Königspinguine. Diese sind, nach den Kaiserpinguinen, die Zweitgrössten ihrer Art. Die kleine Kolonie hat sich erst vor wenigen Jahren hier angesiedelt und ist somit die einzige Population in Patagonien. Die Frackträger waren zur Zeit unseres Besuches gerade in der Brutzeit. Die bereits geschlüpften Jungen hielten sich fast ausschliesslich zwischen den wärmenden Beinen der Eltern auf. Trotzdem gelang es uns ab und zu, einen Blick auf sie zu erhaschen. Ansonsten stehen die drolligen Tiere mehrheitlich rum, pöbeln sich an oder watscheln im Gänsemarsch zu einem unbestimmten Ziel, um dann irgendwann – augenscheinlich verwirrt - wieder zur Ausgangsposition zurück zu stolpern. Stundenlang hätten wir diesem Treiben noch zu schauen können, wenn der Wind nicht so erbarmungslos um die Ohren gepfiffen hätte. So suchten wir unser letztes Nachtlager auf chilenischer Seite und landeten in einem Sägewerk. Im Forestal Russfin wird nicht nur Holz verarbeitet, sondern es werden auch Gäste beherbergt. Obwohl voll belegt, machte man für uns schnell noch ein Zimmer frei. Einziger Wehrmutstropfen: Das nur 1.20m breite Bett. Ja, auch wir sind keine Teenager mehr :-)
Mit enormer Gastfreundschaft und Herzlichkeit kümmern sich hier die Arbeiter um ihre Gäste und man bekommt fast ein wenig das Gefühl, dass ihnen das mehr Spass macht als Holzplatten zu sägen. Hier lernten wir auch die überaus sympathische Familie Lavin aus Santiago kennen. Also eigentlich nur die halbe Familie, denn weitere drei Kinder waren beim Sommerurlaub nicht dabei. Wir verbrachten mit Alvaro, Macarena, Pedro, Sara und Josefa zwei lustige Abende und unternahmen einen Ausflug zum Lago Blanco und ins Bibertal. Der aus Kanada eingeschleppte Biber besiedelt hier ganze Täler, baut riesige Dämme und bedroht somit das Ökosystem. Durch den Bau der Dämme versumpfen riese Baumlandschaften und gewisse Tier- und Pflanzenarten sterben aus. Seit ein paar Jahren werden die Biber gejagt, jedoch gibt es immer noch viel zu viele. Naja, gegen eine Bibermütze ist ja grundsätzlich nichts zu sagen.
Einmal mehr überquerten wir wieder die Grenze nach Argentinien und machten uns somit auf unsere letzte Fahrt südwärts. Nach einem Zwischenstopp in Rio Grande kam der grosse Moment: nach fast zwei Jahren und über 60‘000km auf der Strasse erreichten wir Ushuaia. Etwas emotional waren wir dann schon, schliesslich haben wir den südlichsten Punkt unserer Reise somit erreicht, und von nun an geht’s nur noch nord- und heimwärts. Wir feierten das erfolgreiche Ankommen am Ende der Welt mit unseren so liebgewonnen Freunden Karin & Markus (www.2infahrt.ch), Erica & Sam (www.songoftheroad.com) und Chloe & Tobey (www.facebook.com/CarpeViam.net) bei Königskrabbe und Champagner. Alle haben wir es ohne grössere Probleme hierher geschafft und wir dürfen stolz auf uns sein!
Die kommenden Tage werden wir in Ushuaia verbringen, Büro erledigen und als weiteren Höhepunkt Christa und Werner treffen. Die beiden sind mit einem Kreuzfahrtschiff von Rio de Janeiro nach Valparaiso unterwegs und machen diese Woche Halt in Ushuaia. Wie schon in Belize passt es hier wieder hervorragend mit unseren Reiseplänen und wir freuen uns auf einen gemeinsamen Tag am Ende der Welt. Danach werden wir uns dann langsam Richtung Norden und Endziel Montevideo aufmachen.